LVZ (September 2007):
Improvisation im Doppelpack – An der Schnittstelle zwischen Club und Konzert: Dead Fish Audio
Der Rhythmus, bei dem Stefan Hochmuth mit muss, ist unabhängig vom Musikgenre. Er nennt als
seine persönlichen musikalischen Einflüsse sehr verschiedene: „Hauptsache, es groovt – ob im
Country oder Gabba, da springt bei mir dasselbe an.“ Stefan Hochmuth ist ein Teil des
elektronischen Duos Dead Fish Audio. Der andere heißt Kai Kauerhof und präferiert „Plaste- und
Funktionsmusik“, wie er es nennt. Zum Beispiel gefallen ihm „schlitzohrige Werbekompositionen“.
Wie hört sich da wohl das musikalische Ergebnis dieser Zusammenarbeit an? Ganz einfach: jedes
Mal anders.
Doch bevor die Verwirrung komplett ist, fangen wir die Geschichte von Dead Fish Audio von vorn
an: Stefan Hochmuth und Kai Kauerhof stammen aus Chemnitz. Sie haben sich dort Mitte der 90er
Jahre in der Vox-Kulturfabrik, die damals einen Mittelpunkt der elektronischen Szene der Stadt
darstellte, kennengelernt. Kai war zu der Zeit in der EBM-, Techno- und Darkwave-Ecke
unterwegs, während Stefan vom Hiphop kam und über Acidhouse Techno entdeckte. In letzterem
Genre sind sich die beiden dann begegnet.
Seither machen sie zusammen Musik, zunächst als reines Live-Projekt Twex vs. Fiat, bei dem sie
ihr Equipment und ihre Sounds, die sie sich zuvor als Solomusiker zugelegt hatten, in einen Topf
warfen und gespannt zuhörten, was dabei herauskam. „Aber es gab nie größere Impulse, das
festzuhalten oder Sachen zu arrangieren. Wir haben einfach Sounds gemacht und live ausgebreitet“,
erinnert sich Hochmuth.
Dieses Prinzip bildet seit 2003 auch die Grundlage von Dead Fish Audio. Das Equipment besteht
noch immer aus diversen elektronischen Instrumenten. Von jedem gibt es zwei, damit beide
Musiker gleichzeitig damit arbeiten können. Manchmal singt Hochmuth noch dazu. Im Gegensatz
zu anderen Künstlern, die beim Konzert ihre Songs nur reproduzieren, bereiten Dead Fish Audio
lediglich Fragmente vor, die dann zusammengefügt und weiterentwickelt werden. Jedes Mal neu
und jedes Mal anders. Kauerhof erklärt es so: „Die Musik liegt bei Live-Auftritten wie in
Explosionszeichnungen vor und wird in eine immer wieder andere kompakte Form gebracht. Das ist
ein bisschen wie puzzlen – mal gucken, was so zusammenpasst.“ Und Hochmuth ergänzt:
„Improvisation ist der Kern der Sache.“
In der Regel hängt die musikalische Gestaltung des Auftritts von der Resonanz des Publikums ab:
An einem Abend wollen die Leute tanzen und freuen sich eher über den dominanten Einsatz einer
technoiden Bassdrum, an einem anderen Abend möchten sie lieber zuhören, genießen schöne
Melodien oder lauschen den mal skurrilen, mal lyrischen Texten. Somit stehen Dead Fish Audio
genau an der Schnittstelle zwischen Club und Konzert, elektronischem Live-Projekt und Band.
Auch deshalb vielleicht tangieren die aktuellen Diskurse der elektronischen Musikproduktionsszene
sie nicht besonders: Ihr Einsatz von Hardware, den elektronischen Instrumenten, ist aber nicht als
bewußtes Statement gegen das oftmals in Fachkreisen verpönte Produzieren von Musik
ausschließlich am Rechner zu verstehen. Sie nutzen die Hardware auf der Bühne ganz einfach
deshalb, weil sie besser zu gebrauchen ist und nicht so schnell abstürzt wie ein Computer. „Wenn
wir Sachen entwickeln, arbeiten wir auch mit Software. Für die Bühne ist es nur unsexy und
unpraktisch“, erklärt Hochmuth. Und auch dem Trend zum Minimalen, zur musikalischen
Reduzierung, der in der elektronischen Tanzmusik in den letzten Jahren um sich griff, stehen die
beiden gleichgültig gegenüber: „Maximal waren wir schon immer, einfach weil das Prinzip so ist –
zwei Live-Acts übereinander schichten und sagen, es ist einer, das führt nunmal dazu, dass es dicht
ist und einen Bombastfaktor mit sich bringt.“
Das selbstgewählte Ziel von Dead Fish Audio ist nicht in erster Linie ein Plattenvertrag, sondern
immer wieder schöne Konzerte spielen zu können - „das ist Sinn und Zweck des Projekts“, sagt
Kauerhof, „Auftritte, die als gelebte Zeit hängen bleiben, weil es irgendwie immer ein Stück
Euphorie ist, die da produziert wird.“ Aufnahmen, wie das Album „Condenza!“ vergangenes Jahr,
sehen sie deshalb eher als Mittel zum Zweck, als Voraussetzung für Konzerte.
Explizit als Leipziger Gruppe konnten sich Dead Fish Audio fühlen, als sie beim Wettbewerb der
IG Pop „Leipzig wählt die Band des Jahres 2003“ den Großen Preis gewannen. Eine zeitlich bestens
passende Finanzspritze sei das gewesen, um neues Equipment zu kaufen. Die Ehrung habe sie in der
Stadt bekannt gemacht, aber über Leipzig hinaus hat der Preis zu keinen Konzerten geführt: „Hier
haben wir einen Großteil der Clubs durchgespielt, das will man aber nicht ewig machen“, bemerkt
Hochmuth.
Deshalb erstellen Dead Fish Audio derzeit ein neues Demo, um Auftritte über die Stadtgrenzen
hinaus zu akquirieren. Da kann Leipzig nur hoffen, dass die Jungs nicht zu viel Gefallen an
Musikhochburgen wie Berlin oder Hamburg finden.
(Sandy Feldbacher)